Ja, unser Wille ist frei, weil er durch niemanden außer uns selbst, erlebt oder unterdrückt werden kann. Bewusste und unbewusste Erfahrungen bilden die Grundlage dieses Willens. Der freie Wille gibt uns die Möglichkeit, jederzeit Entscheidungen treffen zu können. Er gibt uns die Freiheit, innerhalb der Grenzen unserer Umwelt, unser Leben zu gestalten. Niemand außer uns selbst kann für unsere Entscheidungen verantwortlich gemacht werden. Ein freier Wille ist die Grundlage für unser gesellschaftliches Zusammenleben.

Dieses Verständnis des freien Willens ist kompatibel mit dem Determinismus, also einer Vorstellung von der Welt, in der alle Ereignisse durch Ursache-Wirkungs-Ketten miteinander verbunden sind. Ursache des Willens sind unsere bewussten und unbewussten Erfahrungen. Damit wir im Leben Entscheidungen treffen können, sind wir auf diese Erfahrungen, also Determinismus, angewiesen. Ohne Vorerfahrungen hätten wir keine Möglichkeit einen Willen auszuprägen, geschweige denn die Möglichkeit, Entscheidungen treffen zu können.

Aus meiner Sicht gibt es keinen vernünftigen Grund an dieser kompatibilistischen Definition des freien Willens zu zweifeln. Dennoch gibt es eine lange Tradition in Philosophie und Wissenschaft, die genau das tut. Sogenannte „Inkompatibilisten“ benutzen eine absurde Definition des freien Willens, die weder in der Philosophie noch im Alltag irgend einen Sinn ergibt.

Inkompatibilisten
Sie definieren freien Willen als einen Willen, der frei von Determinismus wäre und behaupten dann, so einen freien Willen könne es nicht geben. Natürlich kann es einen Willen ohne Ursachen nicht geben. Nur gibt es auch keinen Kontext, in dem eine derartige Definition des Willens Sinn ergeben könnte. Ein Wille frei von Determinismus wäre zudem nicht frei, weil er uns die Grundlagen zur Entscheidungsfindung nehmen würde. Ich empfehle allen Philosophen, die sich als Inkompatibilisten bezeichnen, nochmals ernsthaft über die Definition des freien Willens nachzudenken. Der Wille ist frei von äußerer Unterdrückung, nicht frei von Determinismus. Auch die Idee, unser Leben wäre im Vorab festgelegt und würde auf Grund des Determinismus einfach nur in Ursache-Wirkungsketten ausgespielt, wie eine Spieluhr (Laplacescher Dämon) ist absurd. Chaotische Prozesse mit unvorhersehbarem Ausgang und indeterministische Prozesse auf atomarer Ebene sind schon immer auch Bestandteil deterministischer Wirkungsketten.

Libet-Experiment
Leider ist es mit dieser Klarstellung längst nicht getan. Denn auch einige Neurowissenschaftler behaupten, wir Menschen hätten keinen freien Willen. Sie begründen ihre Haltung mit den empirischen Ergebnissen, des sogenannten Libet-Experiments. Benjamin Libet stellte in den 80er Jahren in diesem Experiment fest, dass das Bewusstsein eine Entscheidung erst 30 Millisekunden nach einem entsprechenden neuronalen Impuls im Gehirn wahrnimmt. Manche Wissenschaftler schließen daraus, dass nicht unser Ich die Entscheidungen trifft sondern unbewusste neuronale Prozesse im Gehirn. Ein freier Wille wäre demnach unmöglich. Diese Schlussfolgerung ist jedoch aus zwei Gründen problematisch. Zum einen gibt es keinen Grund davon auszugehen, dass unser Gehirn und damit zusammehängende unbewusste Prozesse nicht zu unserem Ich gehören und zum anderen gibt es in der Neurowissenschaft keine Kenntnis darüber, wie unser Bewusstsein überhaupt entsteht. Insofern liegt z.B. die Erklärung des Neurowissenschaftlers Peter Tse sehr viel näher, der deutlich macht, dass unser Gehirn so beschaffen ist, dass es automatisierte Prozesse in den unbewussten Teil des Gehirns auslagert, um die Bewusstseinsprozesse nicht mit unnötigem Beiwerk zu belasten (Tse, 2013). Unser Ich, mit seinen bewussten und unbewussten Anteilen, erzeugt den Willen und trifft Entscheidungen. Auch das Ergebnis des Libet-Experiments ist kein überzeugendes Argument gegen den freien Willen. Libet selbst sah das übrigens auch so.

Ablehnung des Determinismus
Die Vorstellung, dass unsere Welt durchgehend durch Ursache-Wirkungsketten strukturiert ist, lässt sich empirisch nicht beweisen, dennoch gehört diese Annahme zu unserem Verständnis von Realismus. Die große Mehrheit der Wissenschaftler und Philosophen betrachtet den Determinismus als ein Fundament unserer Realität. Es gibt aber auch Philosophen, wie z.B. Jean-Paul Sartre, die den Determinismus ablehnen. Sie gehen davon aus, dass Menschen einen freien Willen haben, weil es aus ihrer Sicht keinen Determinismus gibt. Jeder Mensch kann sich demnach jederzeit, spontan und voraussetzungslos für oder gegen etwas entscheiden. Diese Vorstellung des freien Willens bleibt für mich unrealistisch, weil Entscheidungen, die nicht auf erfahrungsgeprägten Willen rückführbar sind, nicht nachgewiesen werden können.

Zusammenfassung
Wir haben einen freien Willen weil niemand unsere Wünsche, Erfahrungen und Überzeugungen unterdrücken kann. Das können nur wir selbst.

 

 

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Literaturempfehlungen: Freier Wille
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Quellen:

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