Freier Wille

Baruch de Spinoza

Ethik

In seiner „Ethik“ behandelt Baruch Spinoza den freien Willen aus einer deterministischen Perspektive. Er argumentiert, dass alles, was existiert, durch die Notwendigkeit der göttlichen Natur bestimmt wird, wobei jede Handlung und jeder Gedanke das Ergebnis einer ununterbrochenen Kette von Ursachen und Wirkungen sind. Dies lässt keinen Raum für den freien Willen im traditionellen Sinne.

Spinoza erklärt, dass der Glaube an den freien Willen aus der Unkenntnis der wahren Ursachen unserer Handlungen resultiert. Menschen fühlen sich frei, weil sie sich der inneren und äußeren Ursachen ihrer Handlungen nicht bewusst sind. Er sieht den Verstand und den Willen als Modi der Substanz, die er als Gott oder die Natur bezeichnet, und somit durch die Naturgesetze bestimmt.

Für Spinoza besteht wahre Freiheit nicht in der Willkür des Handelns, sondern in der Erkenntnis der Notwendigkeit. Ein Mensch wird frei, wenn er die Kausalität seiner Handlungen versteht und vernunftgeleitet handelt. Diese Form der Freiheit ist die „Freiheit der Erkenntnis“, bei der man erkennt, dass man Teil eines notwendigen Ganzen ist.

Spinoza unterscheidet zwischen Handlungen, die aus der Vernunft und denen, die aus Affekten resultieren. Während Affekte oft mit Unwissenheit verbunden sind, führt die Vernunft zu einem bewussteren Leben. Durch die Macht der Vernunft kann der Mensch seine Affekte kontrollieren und eine Form von Freiheit erlangen, die auf Selbstbestimmung durch Wissen basiert.

Insgesamt lehnt Spinoza die traditionelle Vorstellung des freien Willens ab und bietet stattdessen ein Modell an, in dem Freiheit durch das Verständnis der Notwendigkeit und das Leben gemäß der Vernunft erreicht wird.

Spinoza, B. (1677). Ethik. CreateSpace.

Pierre-Simon Laplace

System of the World

In seinem Werk „System of the World“ beschreibt Pierre-Simon Laplace den Determinismus als eine fundamentale Eigenschaft des Universums, das vollständig durch mathematische und physikalische Gesetze bestimmt wird. Er argumentiert, dass alle Ereignisse, sowohl in der Vergangenheit als auch in der Zukunft, durch diese Gesetze festgelegt sind, wenn man die gegenwärtigen Zustände aller Teilchen kennt. Laplace illustriert dies mit einem hypothetischen Intellekt, der als „Laplacescher Dämon“ bekannt ist. Dieser Dämon könnte, mit vollständigem Wissen über die Naturgesetze und die momentanen Zustände aller Teilchen, die gesamte Vergangenheit und Zukunft des Universums genau vorhersagen. Damit verdeutlicht Laplace die Idee, dass Zufall und Unvorhersehbarkeit nur durch menschliches Unwissen entstehen und dass das Universum in seiner Essenz deterministisch und berechenbar ist. Diese Sichtweise betont die allumfassende Vorhersehbarkeit und die Bedeutung der Naturgesetze in der Struktur des Universums.

Laplace, P.-S. (1809). System of the World. Richard Phillips.

Peter Tse

The Neural Basis of Free Will

In „The Neural Basis of Free Will“ argumentiert Peter Tse, dass freier Wille wissenschaftlich fundiert ist und sich durch die dynamische Natur des Gehirns erklärt. Tse widerspricht dem Determinismus und betont, dass neuronale Plastizität und kreative Prozesse im Gehirn unvorhersehbare Entscheidungen ermöglichen. Er führt die „quantum indeterminacy“ (Quantenunschärfe) an, um zu zeigen, dass subatomare Unvorhersagbarkeit neuronale Prozesse beeinflussen kann, wodurch menschliche Entscheidungen nicht vollständig determiniert sind. Freier Wille entsteht jedoch nicht nur durch zufällige Quantenereignisse, sondern durch die Flexibilität und Kreativität des Gehirns. Tse argumentiert zudem, dass bewusste Entscheidungen kausal wirksam sind und tatsächlichen Einfluss auf unser Handeln haben. Insgesamt zeigt Tse, dass freier Wille eine natürliche Konsequenz der komplexen und flexiblen Funktionsweise des menschlichen Gehirns ist.

Tse, P. U. (2013). The neural Basis of Free Will. MIT Press.

Daniel Dennett

Consciousness Explained

In „Consciousness Explained“ vertritt Daniel Dennett einen kompatibilistischen Ansatz zum freien Willen, der Determinismus und Willensfreiheit als vereinbar ansieht. Er argumentiert, dass das menschliche Bewusstsein und die Entscheidungsfähigkeit Produkte der Evolution sind, die adaptive Vorteile bieten. Die Komplexität des menschlichen Gehirns ermöglicht es, auf eine Weise zu handeln, die als „frei“ angesehen werden kann, trotz der zugrunde liegenden physikalischen Prozesse. Dennett betont die Rolle höherer kognitiver Prozesse, die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit erlauben, sowie die Fähigkeit zur Reflexion, die uns von einfacheren Organismen unterscheidet. Diese Reflexionsfähigkeit erlaubt selbstbestimmtes Handeln. Zudem diskutiert er die Bedeutung des freien Willens für moralische Verantwortung. Trotz neuronaler Determination sind wir in der Lage, rationale Entscheidungen zu treffen und verantwortlich zu handeln. Dennett argumentiert, dass dieser kompatibilistische Ansatz ausreicht, um unsere alltäglichen Vorstellungen von Verantwortung und Moral zu stützen.

Dennett, D. (1991). Consciousness Explained. Penguin

Alfred Mele

Free Will and Luck

In „Free Will and Luck“ argumentiert Alfred Mele, dass freier Wille und moralische Verantwortung kompatibel mit einer natürlichen Ordnung der Welt sind, die durch Zufall und Determinismus beeinflusst wird. Mele schlägt eine Theorie vor, die er als „Modell der agentischen Kausalität“ bezeichnet. In diesem Modell sind Agenten – also handelnde Individuen – in der Lage, Entscheidungen zu treffen, die nicht vollständig durch vergangene Ereignisse oder zufällige Faktoren bestimmt sind. Er betont, dass zwar einige Ereignisse zufällig sein können, aber diese Zufälligkeit den freien Willen nicht ausschließt. Stattdessen ermöglicht sie eine Form der Kontrolle, in der Personen als Urheber ihrer Handlungen fungieren können. Mele argumentiert, dass diese Art von Kontrolle ausreicht, um moralische Verantwortung zu begründen. Sein Ansatz zielt darauf ab, eine Balance zwischen vollständiger Determination und chaotischem Zufall zu finden, um ein plausibles Konzept des freien Willens zu verteidigen.

Mele, A. R. (2006). Free Will and Luck. Oxford University Press.

Ergänzende Quellen

Baer, J., Kaufman, J. C., & Baumeister, R. F. (2008). Are we free? – Psychology and free Will. Oxford University Press.

Baumeister, R. F., & Tierney, J. (2011). Willpower. Penguin.

Bieri, P. (2001). Das Handwerk der Freiheit. Hanser.

Chalmers, D. (1996). The Conscious Mind. Oxford University Press.

Dennett, D. (1991). Consciousness Explained. Penguin .

Dodge, R. v. (2012). Schelling´s Game Theory – How to make Decisions. Oxford University Press.

Fuchs, T. (2020). Verteidigung des Menschen. Suhrkamp.

Gabriel, M. (2015). Ich ist nicht Gehirn. Ullstein.

Hume, D. (1739). Ein Traktat über die menschliche Natur. Felix Meiner Verlag.

Hume, D. (1740). The Treatise of Human Nature. Delphi Classics.

Kahnemann, D. (2011). Schnelles Denken, langsames Denken. Penguin Random House.

Laplace, P.-S. (1809). System of the World. Richard Phillips.

Mele, A. R. (2006). Free Will and Luck. Oxford University Press.

Nietzsche, F. (1882). Die fröhliche Wissenschaft.

Popper, K. (1973). Of Clouds and Clocks. Objective Knowledge .

Sacks, O. (1985). Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte. Rowohlt.

Sartre, J.-P. (1943). Das Sein und das Nichts. Rowohlt.

Schopenhauer, A. (1859). Die Welt als Wille und Vorstellung. Hofenberg Digital.

Seth, A. (2021). Being You – A New Science of Consciousness. Penguin Random House.

Spinoza, B. (1677). Ethik. CreateSpace.

Tononi, G. (2012). Phi – A Voyage from the Brain to the Soul. Pantheon Books.

Tse, P. U. (2013). The neural Basis of Free Will. MIT Press.

van Reybrouck, D. (2013). Gegen Wahlen. Wallstein.

Wegner, D. M. (2017). The Illusion of Conscious Will. MIT Press.